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Hier stehe ich: Landesausstellung in Worms

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen.“ – das ist eines der berühmten Zitate der Weltgeschichte und dabei nicht das einzige, das so vermutlich nie gesagt wurde. Egal! Wer die Worte hört, denkt sofort an Martin Luther, der im Jahre 1521 auf dem Wormser Reichstag seine Lehren widerrufen sollte, aber nicht konnte. Inzwischen jährt sich dieses Datum zum 500. Mal, und noch bis zum Jahresende zeigt das Museum der Stadt Worms im Andreasstift deshalb die Landesausstellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“. Delta im Quadrat sprach mit dem Wissenschaftlichen Leiter des Museums und Kurator der Ausstellung Dr. Olaf Mückain über Martin Luther und weitere mutige Freiheitskämpfer.

Delta im Quadrat: Ist die Wormser Landesausstellung eine Luther-Ausstellung?

Dr. Olaf Mückain: Nein, der Blick der aktuellen Landesausstellung geht sehr viel weiter: Wir nehmen das Jubiläum der Widerrufsverweigerung Martin Luthers auf dem Wormser Reichstag zum Anlass, die Entwicklungsgeschichte der „Gewissensfreiheit und des Protests“ anhand zahlreicher Beispiele bis in unsere Gegenwart aufzuzeigen und kritisch zu hinterfragen.

DiQ: Was genau ist denn 1521 in Worms passiert?

OM: 1517 forderte der Mönch Martin Luther mit seinem „Thesenanschlag in Wittenberg“ die Kirche dazu auf, sich selbst zu hinterfragen. Vier Jahre lang tobte daraufhin ein Streit über die Frage, ob und wie man diese Kritik Luthers werten müsse. Er endete mit der Exkommunikation des Reformators. 1521 bekam dieser Konflikt dann seine eigentliche gesellschaftspolitische Dimension, denn Martin Luther sollte vor dem Reichstag in Worms vor den versammelten Fürsten und dem Kaiser seine Schriften widerrufen. Er weigerte sich – und so wurde dieser wagemutige Auftritt zu einer Sternstunde für Werte wie Haltung und Zivilcourage.

DiQ: Von Luthers Widerrufsverweigerung aus spannt die Ausstellung den Bogen bis ins Heute: Wie muss man sich das vorstellen?

OM: Die Landesausstellung präsentiert neben Martin Luther weitere bedeutende Persönlichkeiten, die seit dem 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart für ihre Ideale in Wort und Tat mutig und entschlossen eintraten und nicht selten für ihre Zivilcourage auch mit ihrem Leben bezahlten. Die streitbare Schriftstellerin Olympe de Gouges oder die junge Sophie Scholl fesseln uns noch heute mit ihrem mutigen Beispiel und werden auf faszinierende Weise in der Sonderausstellung durch Exponate, Dokumente und Schlüsselsituationen ihres Lebens vorgestellt. Ebenso vertreten sind Vorkämpfer für Gleichberechtigung und Freiheit wie Martin Luther King und Nelson Mandela, Georg Büchner, die Protagonisten der friedlichen Revolution, die zur Wiedervereinigung Deutschlands führte, und viele weitere mehr. Der gemeinsame Nenner ist immer der Widerstand oder Protest, der auf einer Gewissensentscheidung basiert.

DiQ: Welches Beispiel ist das aktuellste?

OM: Die Ausstellung befasst sich auch mit künstlicher Intelligenz und Gesundheitsfragen, die für uns heute, morgen und übermorgen lebensentscheidend sind und sein werden. Es geht dabei unter anderem um rechtliche und ethische Fragen bei der Entscheidungsfindung mit Hilfe von Technik sowie um ärztliche Schweigepflicht und Sterbehilfe.

DiQ: Warum lohnt sich die Ausstellung Ihrer Ansicht nach für die Besucherinnen und Besucher?

OM: Dass in der Ausstellung existenzielle Fragen an Individuum und Gesellschaft gestellt werden, die faszinierenderweise über 500 Jahre hinweg aktuell geblieben sind. Es werden beeindruckende Persönlichkeiten aus unterschiedlichen kulturellen, geographischen und religiösen Zusammenhängen und beider Geschlechter und verschiedenen Alters vorgestellt. Dies geschieht sowohl mit traditionellen musealen Mitteln sowie mit moderner Technik. Es ist eine Themenausstellung, die mögliche Vorbilder vorstellt, ohne deren Schattenseiten zu verschweigen, und die mehr Fragen stellt, als sie beantworten kann. Das bleibt den Besuchern überlassen.

DiQ: Gibt es ein begleitendes Rahmenprogramm?

OM: Ja! Zahlreiche Veranstaltungen sowie ein umfangreiches museumspädagogisches Angebot für Kinder und Jugendliche sowie für Schulklassen und Jugendgruppen begleiten die Ausstellung. Eine spezielle Kostümführung eröffnet einen stärker emotional ausgerichteten Zugang. Das Rahmenprogramm thematisiert dabei unter anderem auch die Herausforderungen der Gegenwart im Zusammenhang mit Gewissensfreiheit — auch um heutigen Tendenzen gerecht zu werden.

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