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Bühne

Die Festspiele Ludwigshafen 2017

21.10.-09.12., Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen, www.theater-im-pfalzbau.de

Auf zwei Schwerpunkte setzen die Festspiele Ludwigshafen: Zum einen wird das Schauspiel beleuchtet, wie es sich aktuell auf deutschsprachigen Bühnen präsentiert, zum anderen steht das Tanztheater im Fokus – und mit ihm große Namen wie Helena Waldmann, das Nederlands Dans Theater 1 und Anne Teresa de Keersmakers Compagnie Rosas. Tanz eröffnet denn auch die Festspiele: Auftreten werden am Sa, 21.10. und So, 22.10. je ab 19.30 Uhr die Tänzerinnen und Tänzer der GöteborgsOperans Danskompani mit dem Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui. „Noetic“, seine erste Choreografie für die Kompagnie, beschäftigt sich mit dem menschlichen Bedürfnis nach Strukturen; das Bühnenbild von Antony Gormley besteht aus flexiblen Stahlbändern, die den Tänzern Material bieten zur Konstruktion von Linien, Bögen, Ringen und Kugeln, mal abgrenzend, mal Raum schaffend. „Icon“ wiederum setzt auf dreieinhalb Tonnen Lehm, in dem und mit dem das Ensemble in gleichsam ritueller Weise agiert. Das zweite Tanzstück in diesem Monat ist eine „tragische Autobiografie des Körpers“ von Alexander bzw. „Aneckxander“ Vantournhout. Seinen Spitznamen erhielt der Tänzer von einem Kollegen, der halb komisch, halb verletzend über Vantournhouts Körperproportionen spöttelte und einen Reflexionsprozess anregten, an dessen Ende ein vielgelobtes Stück im weiten Feld zwischen Theater, Akrobatik und Tanz steht (Di, 24.10., 19.30 Uhr). 

Zum dritten Mal präsentieren die Festspiele Ludwigshafen die Werkschau eines bedeutenden deutschsprachigen Schauspielhauses, diesmal des Burgtheaters Wien. Die von ihren Anhängern liebevoll verkürzt als „Burg“ bezeichnete wichtigste Sprechbühne des Landes ist mit vier Produktionen zu Gast. Den Auftakt macht hier Arthur Schnitzlers Stück „Professor Bernhardi“ (Fr, 27.10. und Sa, 28.10., 19.30 Uhr): Joachim Meyerhoff in der Titelrolle spielt einen renommierten Arzt, der als Opfer von Rufmord und religiös motivierter Schmähung – Bernhardi ist Jude – seine stabile Position in der Klinik wie in der Gesellschaft verliert. Und was Schnitzler um 1900 anmerkte, ist auch heute eine gute Frage: „...und ich denke immer, selbst Antisemiten müsste es doch auffallen, dass der Antisemitismus – von allem andern abgesehen – jedenfalls die sonderbare Kraft hat, die verlogensten Gemeinheiten der menschlichen Natur zu Tage zu fördern.“ Am 31.10. und 01.11. gastiert das Burgtheater mit zwei Aufführungen der bitterbösen Komödie „Die Affäre Rue de Lourcine“, ursprünglich aus dem vorvorigen Jahrhundert von Eugène Labiche stammend, hier neu bearbeitet von Elfriede Jelinek: Nach einer durchzechten Nacht wachen zwei Männer auf und finden Kohlespuren an ihren Händen, was fast so schlimm ist wie Blut – denn eine junge Kohlenschlepperin wurde ermordet aufgefunden, und auch wenn sich die Trinkbrüder an nichts erinnern können, so deuten die Indizien doch ganz klar in deren Richtung. Und der Humor der Boulevardkomödie ist mindes­tens so schwarz wie die Kohlenfinger! 

Nicht aus Wien, sondern nur rund 70 Kilometer aus dem Süden kommt der in Karlsruhe von Tilman Gersch inszenierte „Judas“ nach Mannheim. Und er gibt seinen Monolog auch nicht im Theater, sondern an drei Sonntagen in drei Ludwigshafener Kirchen: am 22.10. in der Martinskirche Ludwigshafen-Maudach, am 29.10. in der Friedenskirche und am 12.11. in der Melanchthonkirche, Beginn ist jeweils um 17 Uhr. Als Sinnbild für Untreue und Verrat wird er gesehen, als derjenige, der Christus ans Kreuz geliefert hat, und als solchermaßen Verurteilter ringt er in Lot Vekemans’ Stück um seine menschliche Existenz, die weit mehr ist als der Moment von Schuld, auf die sie reduziert wird. Ein halbes Jahrtausend ist vergangen, seit der Reformator Martin Luther seine Thesen ans Wittenberger Kirchentor nagelte; anlässlich dieses Jubiläums zieht eine höchst umstrittene Person in die Kirchen der Stadt, um für Humanität und Verzeihung zu werben.

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