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Leben im Delta

Neuer Auftritt am Markt: Das Leihamt

Es ist ein Haus mit langer Geschichte: Seit seiner Gründung im Jahr 1809 als Einrichtung „zur Steuerung des Wuchers und zum Besten der bedürftigen Volksklasse“ gewährt das Leihamt Darlehen gegen Gabe eines Pfandes. Wie das konkret aussieht, erzählt uns der Geschäftsführer Jürgen Rackwitz im Interview.

DiQ: Wohl jeder hat das Wort Leihamt oder auch Pfandhaus schon einmal gehört, aber so richtig etwas darunter vorstellen können sich viele Menschen nicht. Herr Rackwitz, wie beschreiben Sie einem Laien, was genau dahinter steckt?

Jürgen Rackwitz: Das Leihamt hilft Menschen aus einem kurzfristigen finanziellen Engpass. Seit 1809 kommen die Mannheimerinnen und Mannheimer hierher, wenn sie rasch, diskret und unbürokratisch Geld brauchen. Zum Beispiel, wenn ein Strafzettel beglichen, ein Begräbnis finanziert oder eine Zahnbehandlung bezahlt werden muss. Oder wenn ein Unternehmer ein neues Projekt vorfinanzieren muss. Oder – ganz aktuell in der Coronakrise – wenn FreelancerInnen trotz stornierter Aufträge ihre Fixkosten begleichen müssen.

DiQ: Angenommen, ich möchte einen Gegenstand verpfänden. Wie genau läuft das ab? Welche Voraussetzungen muss ich als Kunde mitbringen?

JR: Sie bringen einfach Ihren Personalausweis und den Wertgegenstand zu uns ins Leihamt in D 4 – zurzeit natürlich mit Alltagsmaske und nur, wenn Sie keine Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigen. Nach der Schätzung durch unsere Gutachterinnen und Gutachter nennen wir Ihnen eine Kreditsumme. Wenn Sie damit einverstanden sind, schließen wir einen Pfandvertrag ab, der über vier oder fünf Monate läuft. An der Kasse zahlen wir Ihnen das Geld aus – bar oder ab 2021 auch per EC-Karte auf Ihr Konto. Bis Sie Ihr Pfand wieder auslösen, bewahren wir es bei uns sicher auf.

DiQ: Und wenn ich auch in fünf Monaten noch nicht flüssig bin?

JR: Wenn der Worst Case eintritt und Sie die beliehene Summe plus die aufgelaufenen Zinsen nicht bezahlen können, wird das Pfand bei einer Auktion versteigert. Wird dabei ein höherer Preis als die vereinbarte Summe erzielt, dürfen Sie sich über den sogenannten Mehrerlös freuen.

DiQ: Das klingt sehr simpel…

JR: Das ist es auch. Sie brauchen im Leihamt weder Einkommensnachweis noch Schufa-Auskunft. Wir bohren auch nicht nach, wofür Sie das Geld brauchen. Das geht nur Sie etwas an. Sie müssen sich also weder „nackig machen“ noch ellenlange Formulare ausfüllen. Außerdem überschulden Sie sich durch einen Pfandkredit nicht. Hinzu kommt: Wir sind sehr freundliche Menschen mit einem feinen Gespür für andere Menschen. Wir bewerten keine persönlichen Entscheidungen, keine Lebensläufe, sondern nur eins: das Pfand.

DiQ: Welche Dinge beleihen Sie denn?

JR: Schmuck und Uhren natürlich, aber nicht nur. Auch Fahrräder, Modelleisenbahnen, Bestecke aus Silber, Marken-Porzellan, Fotoapparate, Marken-Werkzeug, Instrumente, Marken-Stofftiere und Unterhaltungselektronik, die nicht älter als ein Jahr ist. Grundsätzlich beleihen wir ab 5 Euro.

DiQ: Wer kommt zu Ihnen ins Leihamt?

JR: Das höchste Gut jedes Pfandleihers ist die Diskretion. Deshalb erzählen wir auch keine Geschichten. Was man jedoch sagen kann: Die Kundschaft des Leihamts geht durch alle Schichten und alle Altersstufen, sei es 18 oder über 80 Jahre. Egal, wie sicher Sie sich wähnen: Jeder von uns kann durch Zufall oder einen Schicksalsschlag in finanzielle Nöte geraten. Dann kann das Leihamt Ihr rettender Hafen sein.

DiQ: Trotz allem ist ein Pfandhaus noch immer mit einem Stigma belegt. Wie erklären Sie sich das?

JR: In erster Linie mit der Unwissenheit der Menschen. Womöglich war man noch nie im Leihamt und hat sich nur durch Hörensagen ein Vorurteil gebildet. Die meisten ErstbesucherInnen sind sehr erstaunt, wenn sie unser schönes Jugendstilgebäude betreten und zuvorkommend bedient werden. Aber Sie haben schon Recht: Die Vorurteile zu entkräften und Hemmschwellen abzubauen ist eins unserer wichtigsten Ziele für die nahe Zukunft.

DiQ: Werben Sie deshalb mit einem neuen Web-Auftritt, neuem Logo und neuem Blog?

JR: Ganz genau! Das Mannheimer Leihamt heißt am Markt jetzt DAS LEIHAMT und trägt praktisch von Kopf bis Fuß blau. Die Farbe soll Ruhe, Treue, Vertrauen, Stabilität und Sicherheit ausstrahlen – alles Werte, für die wir stehen. Dreh- und Angelpunkt der Kampagne, die übrigens die Mannheimer Agentur Cosa Logo entwickelt hat, ist der Netzauftritt. Ängste abbauen kann man durch sachliche Information und einen Blick hinter die Kulissen. Genau das passiert auf www.das-leihamt.de.

DiQ: Wie hat sich das Verbraucherverhalten durch die Corona-Pandemie verändert?

JR: Das Leihamt ist schon immer ein Seismograf für Strömungen in der Bevölkerung gewesen. Das zeigt sich jetzt wieder: Ein Teil der Kundschaft löst ihre Pfänder aus, um sie im Fall einer noch schlimmeren Krise bei sich zu haben. Ein anderer Teil nutzt den hohen Goldpreis, um alte Schätze zu verkaufen. In jedem Fall gilt: Wie Banken oder Sparkassen ist das Leihamt systemrelevant und deshalb auch während der Corona-Pandemie geöffnet. (Bilder: Das Leihamt/ Axel Heiter Fotodesign)


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